Auf ein Wort

Kinder sind "verlässliche Lehrmeister der Hoffnung"

Das beschreibt der jüdische Schriftsteller Manès Sperber (1905-1984)  in den Erinnerungen an seine eigene Kindheit in Galizien ("Die Wasserträger Gottes"). Wie die Erwachsenen wussten auch die Kinder, dass der ersehnte Messias, der die Welt aus Not und Elend erlösen soll, jeden Augenblick kommen kann. 
Weil sie gelernt hatten, dass diese Erlösung mit einer "großen Umkehrung" der ganzen Welt beginnen müsste, fürchteten die Kinder, dass nicht nur die Welt, sondern auch man selbst plötzlich auf dem Kopf zu stehen käme. Deshalb übten sie mit großem Ernst und erstaunlicher Ausdauer, auf den Händen zu gehen, um „in jenem großen Augenblick in die richtige Position“ zu kommen. „Messianische Gymnastik“ nannten sie dieses Einüben in die kommende Welt.

Sperber schreibt, dass ihn diese messianische Zuversicht seit jenen kindlichen Kopfständen nie mehr verlassen habe: "Es mag sein, dass ich, seit ich denken kann, keiner Idee begegnet bin, die mich so überwältigt und meinen Weg so stetig bestimmt hat, wie die Idee, dass die Welt nicht so bleiben kann, wie sie ist, und dass sie ganz anders, besser werden kann und dass sie es werden wird." Ähnlich muss es den Sterndeutern ergangen sein, deren Ankunft  im Stall von Bethlehem  das Evangelium beschreibt. Als die vornehmen Fremden erschöpft von ihren Kamelen stiegen und vor dem frierenden Armeleute-Säugling auf die Knie fielen, stand die Welt buchstäblich auf dem Kopf.

Das war der hoffnungsvolle Endpunkt einer mühseligen Reise, die die Phantasie der Nachgeborenen zu immer neuen Bildern anregte. Ganz zu Recht wurden sie zu Königen der Herzen. Denn ihr Herz war ihnen voraus. Der Dichter Jean-Paul Sartre (1905-1985) legt den königlichen Krippenbesuchern in einem Weihnachtsstück folgende Worte in den Mund: "Als wir diesen Stern am Himmel sahen, haben unsere Herzen vor Freude geklopft wie bei Kindern, und wir wurden wie Kinder und haben uns auf den Weg gemacht, denn wir wollten unsere Menschenpflicht erfüllen und hoffen."

Ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest wünscht Ihnen 
Matthias Storck (Brockhagen)