Kirchenmusik während Corona

Kirchenmusik in Quarantäne

Wie sieht Kirchenmusik aus, wenn man sich nicht mehr treffen darf? Geht das, einfach so vor seiner eigenen Haustür Flügelhorn zu spielen?

Mein Einstieg in diese ungewöhnliche Zeit kam ziemlich plötzlich, nämlich mit der Nachricht, dass sich der Chorleiter des Chores, mit dem ich am Wochenende zwei Tage geprobt hatte, auf Corona testen ließ. Das war Mittwoch mittags, ich hatte grade drei Stunden in einer Sitzung gesessen und drei Schüler und eine weitere Sitzung vor mir. Ich habe erstmal einfach weiter gemacht, das Ergebnis war ja noch nicht raus und niemand hatte Erfahrung mit so einer Situation. Das zeigte sich dann noch mehr, als das positive Ergebnis da war und ich plötzlich von einigen selbst als positiv Getestete behandelt wurde, obwohl ich offiziell „nur“ eine eine Kontaktperson zweiten Grades mit geringem Infektionsrisiko war! Ich kann mir ansatzweise vorstellen, mit welcher Stigmatisierung Infizierte leben müssen.

Meine Quarantäne habe ich überwiegend als Entschleunigung erlebt, zumal ich symptomfrei blieb. Liebe Freunde haben für mich eingekauft, ich hatte endlich mal Zeit, wieder regelmäßig Klavier zu spielen, habe mich lesend, hörend und spielend mit dem Beethovenjubiläum auseinandergesetzt, Fenster geputzt, meine Terrasse aus dem Winterschlaf geholt  und viel telefoniert.

Als die Zeit rum war, hatte sich meine Arbeit völlig verändert. Jetzt war sozusagen „Quarantäne für alle“, das öffentliche Leben wurde herunter gefahren.

Statt Chorproben stehen jetzt Aufnahmen von Kurz-Gottesdiensten, Trompetenunterricht per Skype, Notenschränke Aufräumen und die Klärung von Urheberrechtsfragen auf dem Programm. Ich finde es schön, dass wir per Video zumindest einen Teil unserer Gemeinde erreichen können, teilweise auch Menschen, die wir sonst nicht so erreichen, und ich habe mich sehr über die vielen positiven Rückmeldungen und die unkomplizierte technische Realisation gefreut. Die Aufnahmen fühlen sich für mich als Ausführende im Grunde an wie „echte“ Gottesdienste, auch wenn natürlich die Gemeinde fehlt. Aber das Miteinander mit der Pfarrerin und der Spannungsbogen sind sehr ähnlich.

Schon früh gab es Aufforderungen zum Musizieren vom Balkon, angeregt durch Italien. Denen stand ich erst eher skeptisch gegenüber, da wir hier nunmal auch viele Einfamilienhäuser-Siedlungen haben und man sich nicht gut gegenseitig hört – anders als bei vielen Balkonen zur Straße hin. Aber jetzt muss ich sagen, es ist eine ganz besondere Erfahrung, vor der eigenen Haustür zu musizieren und Andere zwei Straßen weiter zu hören. Und so fand ich auch die Idee, an Ostern „Christ ist erstanden“ in die Wohngebiete und auf den Kirchturm zu bringen, sehr gut. Als ich ein paar Tage später durch Oerlinghausen wanderte, stand auch dort auf der Straße „Der Herr ist auferstanden“ – das hat mich wirklich berührt. So sind für mich diese analogen Erfahrungen vor Ort neben den Aktivitäten im Internet sehr wichtig. Und dass wir Kontakt halten in unseren Gruppen über einen Anruf oder eine Kurznachricht.

Das regelmäßige Treffen und gemeinsame Musizieren entfällt und kann auch nicht wirklich durch etwas anderes ersetzt werden. Wir sind alle  momentan mehr auf uns selbst zurückgeworfen.

Sonst ist die Osterzeit für mich eine sehr volle Zeit, aber dieses Jahr hatte ich nun die Gelegenheit, für mich ganz persönlich innezuhalten und Karfreitag und der Auferstehung nachzuspüren. Das hat mir gut getan. Beim Händewaschen singe ich jetzt immer Christ ist erstanden. Das dauert ungefähr 30 Sekunden, wie vorgeschrieben.

Die Ungewissheit, wie es weiter geht, macht es manchmal nicht einfach, froh durch den Tag zu gehen und sich zurecht zu finden. Aber zum Glück haben wir eine Gewissheit, die auch durch einen Virus nicht zerstört werden kann – dass Gott den Tod und auch unsere Angst besiegt hat und dass das Leben das letzte Wort hat, und zwar das Leben in Frieden. Mit sich selbst, mit Gott und den anderen. Mit Frieden im Herzen lässt es sich leichter leben. Und so kann ich auch die freien Abende und die wenigen festen Termine genießen und zuversichtlich in die Zukunft schauen. Wie auch immer sie nach Corona aussieht.

Annette Petrick